Urkundenfälschung an der Universität Tübingen?

Von Thomas Ziegner

Tübingen. Fälschungen aufzudecken  ist nicht nur Aufgabe der Presse, sondern durchaus auch der Wissenschaft, zu der man ja mit einigem guten Willen die in Tübingen gepflegte Disziplin der Allgemeinen Rhetorik zählen darf. Nun scheint es aber, dass das einst von Walter Jens geleitete Seminar für Allgemeine Rhetorik sich selbst einer Fälschung schuldig macht. Sein allererster Preis für die “Rede des Jahres”, 1998 vom damaligen Chefrhetoriker Gert Ueding im Alleingang an Martin Walser verliehen, um gleichsam vampiresk von der Publizität der Bubis-Walser-Kontroverse zu profitieren, wird auf der aktuellen Website des Seminars immer noch als makellos korrekt dargestellt.

Obwohl die honetten Wissenschaftler wissen, dass es damals keine Jury gab, stellen sie ihre guten Namen für die Falschmeldung zur Verfügung, es habe eine solche gegeben. Ist das jetzt Urkundenfälschung? Oder bloß die übliche Korruption im Betrieb? Und müssten die Wächter über die Einhaltung wissenschaftlicher Prinzipien – die Universität hat ein IZEW, ein Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften – einschreiten oder nimmt man es bei den Rhetorikern eh’ nicht so genau?

Vielleicht wissen wir im kommenden Jahr mehr. Jetzt sind die Rhetoriker schwer beschäftig: Bald werden sie die “Rede des Jahres 2017” gekürt haben.

Zusatz am 18.12., 13 Uhr 30: Sie haben es vor knapp einer Stunde geschafft, einen Preisträger zu finden: Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie loben unter anderem dessen “intellektuelle Redlichkeit”. Wird er den Preis auch behalten?