Henri Kramer Potsdamer Neueste Nachrichten / Superhypermegaaffentittengeil politisch korrekt

Ich lese niemals eine Zeitung, die meiner Meinung ist. Diese wäre verfehlt.

Erik Satie

Von Sepp Zeitblom

Tor des Monats Dezember 2017 ist ein gewisser Henri Kramer, der in den Potsdamer Neueste Nachrichten west.

Wie viele linksgrüne Spießer wähnt der Herr Henri Kramer, was er und seinesgleichen nicht auf Anhieb verstehen, müsse doch irgendwie unnormal sein. Und just jene, die sonst am lautesten wegen tatsächlicher oder vermuteter Vorurteils-Verzerrungen krähen, haben soviel Komplexitätsreduktionskompetenz entwickelt, dass sie Bücher aus gewissen Verlagen schon gar nicht mehr anschauen müssen. Selig erinnern sie sich der Kindergartentante, die “ÄH-BÄH” warnte. Unser Henri möchte es der Tante gleichtun und ist irgendwie voll total schwer dafür, dass Bücher aus “ÄH-BÄH” Verlagen von Bibliotheken nicht mehr angeschafft werden sollten.

Aus einem anderen Text dieses PNN-Blattes (Potsdamer Neueste Nachrichten bittschön, nicht Postfaktische Null Nummer, wie unser Musikkritiker Axtmann gerade fabuliert, Ruhe bitte), auf den es verlinkt, wird ersichtlich, dass Herr Kramer unter anderem an “Finis Germania” von Rolf Peter Sieferle, erschienen im (huch !) neurechten Antaios Verlag zu Schnellroda, Anstoß nimmt. Skandalöserweise gibt’s zu wenig Tanten, die rechtzeitig “ÄH-BÄH” rufen, und dies Buch geriet zum Bestseller.

Kramer: “Natürlich sind es nur einige wenige Bücher mit rechtspopulistischem Inhalt, die in Potsdams Stadt- und Landesbibliothek angeboten werden. Allerdings könnte man auch kritisch anmerken: Es sind einige solcher Schriften zu viel. Es lässt sich nämlich trefflich argumentieren, dass in Zeiten, in denen im Internet jede noch so absurde Verschwörungstheorie und rechte Hetze jedweder Art als normale Meinungsäußerung durchgehen, solche Inhalte nicht noch in öffentlichen und von Steuergeldern bezahlten Bibliotheken angeboten werden müssen.
Mit Zensur hätte das nichts zu tun: Es geht ja nicht um das Verbot solcher Bücher, die man ohnehin überall erwerben kann, die zum Teil sogar Bestseller sind.”

Kuck mal, Kramer kann Konjunktiv, und meint, der enthielte schon hinreichend Ironie. Und das schöne alte Wort “trefflich”, bittschön Kramer, verwenden Sie es nicht mehr. Sie sind nämlich unbefugt. Sie können es doch mit den wie immer auch kritikwürdigen Argumentationen von beispielsweise Rolf Peter Sieferle gar nicht aufnehmen.

Kramer, Kramer, Sie posieren. Sie können ja offenbar gar nicht argumentieren. Und Sie biedern sich auch noch beim Bund der Steuerzahler an.

Wissen Sie, Sie Redakteursschlingel, was der Herr Friedrich Schlegel dem Herrn Novalis berichtet (nein, ich meine nicht den Schlegel, wo Schriftführer vom Freundeskreis der Villa Kunterbunt ist). Ich meine den links-oder rechtsextremistischen (wer soll sich da noch auskennen) Herrn Schlegel, der so ein obszönes Buch veröffentlicht hat. Nein Kramer, jetzt wird keine einschlägige Stelle aus diesem Buch zitiert, sondern was ganz was anderes:

“Der König hat den ‘Glauben und Liebe’ gelesen aber nicht verstanden, und daher dem Obristlieutenant Köckritz Ordre gegeben, ihn zu lesen. Weil dieser ihn aber gleichfalls nicht verstanden, hat er den Consistorialrat Niemeyer zu Rate gezogen. Dieser hat auch nicht verstanden, worüber er höchlichst entrüstet gewesen und gemeint hat, es müsse gewiss einer von den beiden Schlegels geschrieben haben.”  (Friedrich Schlegel an Hardenberg)

Verstehen Sie, Kramer, schlagen Sie’s nach bei Wikipedia oder sonstwo: Es gab oft Zeiten, da im deutschen Sprachraum unverständliche oder unbequeme oder subversive Bücher verboten, verbrannt, aus Bibliotheken verbannt, in Giftschränken eingesperrt wurden. Sie wollen das wieder haben? Nein, wollen Sie nicht, ich weiß. Sie haben bloß posieren wollen, als politisch aber sowas von superhypermegaaffentittengeil korrekt.

Zusatz 3. Januar 2017: Der Herr Kramer kann ja nix dafür. Mit bemerkenswerter Offenheit gesteht er 2011 öffentlich in den PNN (und die drucken es auch noch), wie sehr er es genießt, die komplizierte Welt von heute in den Hintergrund” treten zu lassen. Neunmal war er laut eigener Aussage im Film “Die Gefährten” aus dieser Tolkien-Reihe, und jedesmal habe er geheult ob des Abenteuers “um Freundschaft und den Kampf für das Gute”. So einer ist der gewiss der rechte Mann, um es mit dem bösen Riesenverlag Antaios aufzunehmen und eine Bibliothek mit Unfug zu belästigen. Wer ein Foto des wackeren Streiters sehen mag, aus dem auch dessen Vorliebe und Wahlverwandtschaft zu Hobbits deutlich wird, folge dem Link.

http://www.pnn.de/potsdam/609516/