Von Rechten lernen: Die „Literarische Musterung“ von Günter Scholdt

 

Von Sepp Zeitblom und Thomas Ziegner

Geht das überhaupt, was der Autor sich untersteht, von methodologischen Vorüberlegungen weitgehend absehend, sich 31 bedeutenden Werken der Weltliteratur, Klassikern eben, in der Absicht zu nähern, sie auf ihre Anwendbarkeit für die Gegenwart zu untersuchen; muss da nicht ein furchtbarer Schmarren herauskommen?

Kommt drauf an, wer sich‘s untersteht: Günter Scholdt, emeritierter Professor für Literaturwissenschaft, hat schon 1993 das von Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) außerordentlich freundlich rezensierte Standardwerk „Autoren über Hitler. Deutschsprachige Schriftsteller 1919-1945 und ihr Bild vom <Führer>“ vorgelegt.

Die „Literarische Musterung“ ist kein wissenschaftliches, sondern ein Lesebuch fürs allgemeine Publikum: Lehrreich, streitbar, zu heftigem Widerspruch wie zu kopfnickender Zustimmung herausfordernd; unterhaltsam, gelegentlich sarkastisch und witzig. Ein Buch zur rechten Zeit, in der ja beispielsweise das Feuilleton der FAZ in Schlafmützigkeit versinkt und die braven Beiträge in anderen staatstragenden Gazetten mehrheitlich von politisch-korrekten Schnarchsäcken stammen.

Günter Scholdt: Literarische Musterung. Warum wir Kohlhaas, Don Quijote und andere Klassiker neu lesen müssen. 368 S., Schnellroda 2017

Besonders empfehlen möchten wir Scholdts Buch unserem eigenen angestammten, irgendwie links-grün-liberalem Milieu, auf dass Frischluft hereinkomme, das dauernde Schmoren im eigenen Saft einmal suspendiert werde. Konservative Intellektuelle von Rang, wie Scholdt, haben keinerlei Berührungsängste vor Argumenten aus dem linken, progressiv-emanzipatorischem Lager. Im Gegenteil: Gleich drei Werke von Brecht sind in Scholdts Auswahl enthalten. Er ermahnt (und ermutigt) sein vornehmlich konservatives Publikum: „Keine Angst vor linken Wahrheiten“.

Wir müssen ausführliche Belege für unsere Behauptungen einstweilen schuldig bleiben (werden nachgeliefert), wollen aber noch bemerken, dass neben anderen insbesondere die Kapitel über Zuckmayers „Des Teufels General“ und Heinrich Manns „Der Untertan“ wertvolle Korrektive für kurrente Meinungen gerade in unserem Milieu sind. Es ist ähnlich wie im Fall Sedlmayr: Dessen „Der Tod des Lichtes“ und „Der Verlust der Mitte“ waren offen reaktionäre Streitschriften wider die Kunst der Moderne. Und doch konnten ihre Liebhaber daraus mehr über sie lernen als aus dem Gesamtwerk von Bazon Brock (na,na, Anm. d. Red.). Doch, doch.

Dass die „Musterung“ in Schnellroda erschien, muss niemanden ängstigen, außer vielleicht unseren „Tor des Monats / Moron of the Month“ (Dezember 2017): Ein Mann will Scheuklappen

Wer um 1968 das anarchistische Über-die Stränge-Schlagen noch hautnah erlebt hat, dürfte sich über eines besonders wundern: die Frühvergreisung einer nach geistiger Selbstkastration schreienden >Studierenden<Generation, die Zensoren und Zuchtmeister geradezu herbeibrüllt.

Scholdt S. 85, den 2016 verkündeten Beschluss der Universitätsbibliothek Leipzig  kommentierend, verdächtige Publikationen, Verlage oder Rezensionen aus ihrem Katalog zu verbannen bzw. deren Nutzung zu beschränken. Was die Studentenschaft herzlich begrüßte.