„Sing Sistah Sing!“ von und mit Andrea Baker

 

Ein klangreicher Streifzug durch die afroamerikanische Geschichte

Von Gerhard Jung

 

Durch den Mittelgang schreitet sie Richtung Podium, singt beseelt einen schlichten Plantation-Song aus dem frühen 19. Jahrhundert, wiegt sich in dessen Rhythmus: So eröffnet die stimmgewaltige Mezzosopranistin Andrea Baker ihr Programm „Sing Sistah Sing“. Es erzählt von Lebensbedingungen Schwarzer in den USA und Europa, verfährt nicht stur chronologisch, sondern verbindet knapp-moderierend zeitgeschichtliche Erläuterungen mit Liedern oder Songs vieler Gattungen: Arie, Kunstlied, Song, Gospel, Blues, Plantation-Song und sogar Disco-Sound, unterstützt von einem Pianisten; im Tübinger Deutsch-Amerikanischen Institut war es der vortreffliche Richard Lewis.

Andrea Baker

Die klassisch ausgebildete Baker – sie brillierte schon in der „Carmen“ (Bizet) und als Ortrud (Wagner, Lohengrin) –  schafft das Kunststück, ihre Sistahs Mahalia Jackson (Gospel) und Billie Holiday (Blues) ebenso überzeugend klanglich zu verkörpern wie Leontyne Price oder Vera Little, die ersten schwarzen Kammersängerinnen im deutschsprachigen Raum. Ihre Stimme hat ein wundervolles, wandlungsfähiges Timbre; wie goldbronziert im tieferen, schimmernd silberhell im oberen Bereich. Vielfältig dynamisch variieren kann sie im Mezza-voce-Gesang, einzigartig wohl ist ihre Kunst des stets unangestrengten Vibratos.

Das Programm mit dem Slang-gefärbten Titel („Sistah“ steht für Sister-Schwester) beispielsweise im Rap) ist umfasst den Zeitraum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute.Die Heldin der afro-amerikanischen Befreiungsbewegung während des Bürgerkriegs hieß Harriet Tubman. Sie organisierte die „Underground Railway“, mit der Sklaven in die Freiheit verheißenden Nordstaaten der USA gelangten. Baker sang eindrucksvoll Steal away“, mithilfe dessen die Feldsklaven sich Informationen über die Abfahrtszeiten der Untergrund-Eisenbahn weitergaben.

Und sie machte deutlich, dass die inständige Frömmigkeit vieler Gospels nicht notwendig auf‘s Jenseits beschränkt war. Wenn etwa das Los von Israel in Ägypten besungen wurde, mit der Bitte“ „Let my People Go“, war die Beziehung zur Aufhebung der Sklaverei klar.

Andrea Baker, gemalt von Hans Roedinger

Wirkt es bei manchen klassisch ausgebildeten Künstlern fast peinlich, wenn sie sich ihrer meist unerwiderten Liebe zum Jazz oder Pop ergeben, kann davon bei der mit enormer Podiumspräsenz auftretenden Baker keine Rede sein. Ihre Coverversionen von Titeln der Billie Holiday oder Aretha Franklin bestachen durch jazzgerechte Phrasierung und Tongebung. In Tübingen beschloss sie ihr Programm mit einem feministischen Touch, sang zum Finale „She’s got the whole word in her hand“.

Homepage von Andrea Baker

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