Reinhard Schulte und das dramatische Werk von Albert Drach
Foto: Ines Klank-Rießen
Naturwissenschaftler(innen) küren regelmäßig ihr „Experiment des Jahres“. Die Relevanz der Fragestellung zählt, die Ökonomie und Eleganz der Versuchsanordnung, naturgemäß der wissenschaftliche Ertrag. Gäbe es einen ähnlichen Preis fürs Schauspiel, wäre das Lesetheater Tübingen ein zu favorisierender Kandidat.
Relevanz: Es geht ums dramatische Werk von Albert Drach. Während das epische Oeuvre des 1988 mit dem Büchnerpreis ausgezeichneten Dichters sich langsam leidlich durchsetzt, wurden nur wenige – und diese selten – seiner insgesamt 27 Stücke aufgeführt. Nur ein Bruchteil liegt gedruckt vor. Neben den Werken von „Wedekind, Kraus, Horváth, Brecht“ vermögen die Stücke Drachs „die dunkle Geschichte des (20., th. z..) Jahrhunderts erkennbar“ zu machen. „Wenn eines Tages die Kenntnis dieses Oeuvres kein zufälliges Privileg mehr ist, wird der gegenwärtige Zustand als monströs erscheinen“, schrieb der Drach-Forscher,-Freund und -Interpret Reinhard Schulte 1992. Und weiter: „Bis dahin hilft kein Betteln um Gehör, eher die keineswegs kühne Behauptung, dass das deutschsprachige Theater sich wieder einmal ums Beste betrügt, und bei Gelegenheit die Ohrenprobe, dergestalt dass eins der Bücher aufgeschlagen wird und vorgelesen.“
Diese Ohrenprobe, seit 1992 im Alleingang rund 40 mal unternommen, überzeugte von dem Recht, mit dem Schulte – auf allen Plakaten des Lesetheaters als ceterum censeo gedruckt – fordert:
„Alle siebenundzwanzig Stücke Albert Drachs auf die Bühne !“
Versuchsanordnung: Seit 1999 im Hörsaal 1 des Instituts für medizinische Psychologie in der Gartenstraße, zuvor in der nicht mehr bestehenden Buchhandlung in der Gartenstraße: „Ein Tisch, ein Stuhl, ein Mann“, und ein aus fünfzig bis zehn Köpfen bestehendes Publikum.
Ertrag: En miniature erweist sich – seit über 10 Jahren in über 40 Aufführungen – stets aufs Neue die Theaterwirksamkeit der Dramen Drachs.