Über Musik und Ironie

Zum vorzüglichen Buch über Heinrich Heine und Robert Schumann von Thomas Synofzik

Von Peter Sühring

Hört man Dietrich Fischer-Dieskau Schumanns “Dichterliebe” singen, aufgenommen in den 50er Jahren – schwermütig, bleiern, martialisch – dann kommt einem in den Sinn: Wäre der Textdichter Heine kein von den Nazis verfemter Jude gewesen, hätte man diese treudeutsche Einspielung sicher nicht anders auch im “Dritten Reich” veranstalten können. Einer solchen Sangesart lagen zwei noch bis vor kurzem in Deutschland unbestrittene Vorurteile zugrunde. Das eine betrifft Heine: einen Dichter, bei dem angeblich alles ironisch gemeint ist; das andere Schumann: einen Komponisten, der entweder Heine missverstanden habe oder in Tönen einfach nicht ironisch sein wollte und konnte. Stets gab man einem humorlosen Schumann die Ehre und meinte, ihn gegen einen frivolen Heine ausspielen zu können. Es ist das Verdienst dieses Buches, mit beiden Vorurteilen in einem literatur- und musikhistorischen Doppelzug gründlich aufzuräumen.

Wieder einmal sind es die Quellen, Selbstzeugnisse Heines und Schumanns, sowie die präzise poetische und musikalische Analyse einzelner Lieder, die die wirklichen Verhältnisse klarlegen: Heine ist nicht immer nur ironisch, Schumann kann sehr wohl im Medium der Musik ironisch sein. Das historisch und forschungskritisch ausgerichtete Buch kann die Unhaltbarkeit einer langen Traditionslinie deutscher Mißverständnisse zu Schumanns Heine-Vertonungen aufdecken. Heine und Schumann bezogen ihre Inspirationen nicht aus der romantischen Schule, die in der Ironie ein Mittel zu metaphysischer Distanzierung von der Realität sehen wollte, sondern eher aus einer sehr handfesten ironischen Praxis, wie Jean Paul sie verwirklichte.

Das Buch gibt detaillierte Einzelanalysen vieler Lieder, um seine Schlußfolgerungen zu begründen. Hervorsticht u.a. die Analyse eines Heine-Gedichtes, das überhaupt nur von Schumann vertont wurde, und in dem die paradoxen Kontraste das Komische hervorrufen:”Warte, warte, wilder Schiffersmann”. (…)

Dieses Buch wiegt die Unmenge ideologisch verbrämter Schumann-Literatur vergangener Jahrhunderte auf und sollte zur Konfrontation und Korrektur zum Thema “Heine und Schumann” in keiner guten Musikbibliothek fehlen.

Thomas Synofzik: Heinrich Heine, Robert Schumann. Musik und Ironie, zweite durchgesehene Auflage, Köln (Dohr) 2010

 

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Der Text von Peter Sühring erschien 2006 zuerst im “Forum Musikbibliothek”, bezog sich also auf die erste Auflage.

Brouillon dankt dem Autor für die freundliche Genehmigung zur Online-Publikation.