Alarm – schlimme Kränkung

Erneut wird Tübingens Oberbürgermeister – fälschlich – bezichtigt, sich rassistisch oder wenigstens „unsensibel“ geäußert zu haben. Diesmal nicht von einem eifrigen, wohlmeinenden Amtskollegen einer Nachbarstadt, sondern vom Tübinger Integrationsbeirat. Der hat eine entsprechende Pressemitteilung  publiziert, mit der er sich nicht nur blamierte, sondern auch seine hoch entwickelte Gekränktheitsbereitschaft bezeugt.
https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Rassismus-Debatte-als-Nebenschauplatz-497822.html

Was einmal mit den besten Absichten, gut gemeint halt, begann, hat sich zur Plage entwickelt. Enragiert melden sich vermehrt Leute zu Wort, weniger um reale Missstände anzuprangern, als um ihre eigene Gutheit, ihre von Vorurteilen gänzlich freie, ihre reine Seele ostentativ einer geneigten Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Wer Rassismus und ähnlich Verwerfliches bei anderen diagnostiziert, mißbilligend naturgemäß, muss ein Guter sein, ein joldenes Herz haben.

(Triggerwarnung-Kränkungsalarm): Es genügt zuweilen, sich unschuldig wähnend, den Terminus „negro-spiritual“ zu verwenden, um des „unsensiblen Sprachgebrauchs“ überführt zu gelten, gern von Sprechern, die über das Sprachgefühl knapp über dem des Papageis verfügen. (Diskriminierung von gefiederten Sprechern).

Jens Jessen hat diesen nicht ganz ungefährlichen, wahnhaft kultische Züge entfaltenden Gekränktheits-Terror vor viereinhalb Jahren in „Die Zeit“ eindringlich beschrieben.

https://www.zeit.de/2016/42/beleidigung-kult-islamisten-studenten-political-correctness-macht

Warnung! Dieser Artikel kann Gefühle der Kränkung auslösen

Beleidigt zu sein ist heute Mode – und ein Machtmittel. Nicht nur Islamisten, auch Studenten an westlichen Hochschulen haben daraus geradezu einen Kult gemacht.

Von Jens Jessen

20. Oktober 2016, 3:39 Uhr Editiert am 22. Oktober 2016, 17:17 Uhr DIE ZEIT Nr. 42/2016, 6. Oktober 2016
284 Kommentare

Nein, werte Herrschaften, mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Nazi-Hintergrund,

Palmers sachliches, präzises Statement ist nicht geeignet, Rezipienten die noch recht bei Groschen sind, zu kränken. Es empfiehlt sich, gelegentlich den Versuch einer konzisen Definition des Begriffs „Rassismus“ von Alber Memmi (in Tunesien geborener, französisch schreibender Soziologe und Romanautor jüdischer Herkunft) zu reflektieren. Demnach:

Die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der eine Aggression gerechtfertigt werden soll.
Aus: Memmi: “Rassismus”, Hamburg 1992, S. 151

Sepp Zeitblom/ Thomas Ziegner