Das Seminar für Allgemeine Rhetorik macht sich lächerlich: Der Juryrer

Von Sepp Zeitblom

Der Juryrer

Sämtliche Wörterbücher, Enzyklopädien und Universal-Lexika, nationale, internationale, galaktische und gesamtkosmische sind sich einig: Um dem Begriff „Jury“ zu genügen, braucht‘s eine Mehrzahl von Personen, sachkundigen möglichst.

Alle sagen das, wirklich alle? Neinnein, eine Institution weicht kühn ab: Das stolze, honette Seminar für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Auf dessen Website steht seit dem 19.12.2017 unter „Jury“ ein einziger, noch nicht mal so besonders klangvoller Name.

So steht‘s da:

Martin Walser hat mit selbstkritischen und ironischen Untertönen den Meinungsbetrieb in seiner manchmal gutgläubigen, doch meist zynischen Doppelbödigkeit aufgedeckt und als Instrument der ideologischen Macht­ausübung, als profitables Mediengeschäft und intellektuelle Inszenierung erkennbar gemacht. Die maßlose und hämische Kritik an dieser in rhetorischem Ethos, schlüssiger Argumentation und leidenschaftlichem Engagement für eine menschenwürdige Zukunft vorbildlichen Rede bestätigt deren Thesen so eindrucksvoll wie bedrückend. (Walser hat sich mittlerweile bekanntlich von dieser rhetorischen Meisterleistung distanziert, d.Red.).

Jury
Prof. Dr. Gert Ueding

http://www.rhetorik.uni-tuebingen.de/portfolio/rede-des-jahres/

Der Herr Ueding hat sich nämlich 1998 einen PR-Schwindel geleistet, um, wir schreiben es gern nochmal, an der Publicity der Bubis-Walser Kontroverse sich zu laben. Das flog seinerzeit, 1998, auf. Und das Seminar vertuschte das wissenschaftliche Fehlverhalten, machte sich damit selbst dessen schuldig, und behauptete auf der Website seit ca 2000 munter, es habe eine mehrköpfige Jury gegeben. Eine sehr lesenswerte Dissertation fiel darauf herein und auch im Standardwerk von Bill Niven, Facing the Nazi Past, United Germany and the Legacy of the Third Reich, wird die anrüchige Preisverleihung als korrekt erwähnt.

Nach einigen Glossen in unserem bescheidenen Brouillon-Magazin entschloss sich wie gesagt jemand Befugter, den dubiosen Website-Eintrag zu ändern. Alle Namen wurden entfernt, darunter der des jetzigen Rhetorik-Chefs Joachim Knape und der seines geschäftsführenden Direktors, Olaf Kramer (der war 1998 noch ein Subalterner).

Stolz prangt und kühn als einziger nun der Herr Ueding, Herr Prof. Jury Ueding, oder Herr Juryrer?

Wie lange noch wollen Seminar und Universität dieses auf längere Sicht doch imageschädigende Treiben – wie uns Mails aus der akademischen Welt des In- und Auslands zeigen – fortsetzen?